Therapieoptionen für Reflux
Reflux entsteht, wenn Nahrungsbrei, oder Gase, aus dem im Magen das untere Speiseröhrenventil aufsteigen.[1] Magensäure und Enzyme gelangen in Speiseröhre und Atemwege, wo sie das Gewebe reizen und Entzündungen verursachen.
Entsprechend lassen sich erfolgreiche Behandlungsstrategien für Reflux auf zwei Faktoren runterbrechen.[2] Man kann entweder:
- …den Druck im Magen senken, oder…
- …die Spannung des unteren Speiseröhrenventils stärken (der medizinische Begriff für das Ventil ist unterer Ösopaghussphinkter).
Vier grundlegende Behandlungsstrategien für Reflux
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, diese Therapieziele zu erreichen. In der Regel reicht es jedoch nicht, nur eine einzige Maßnahme durchzuführen. Oft ist eine Kombination von Behandlungsmethoden vielversprechender und nebenwirkungsärmer, als auf eine einzelne Methode zu setzen.
Die vier grundlegenden Möglichkeiten, die einen positiven Einfluss auf Magen und Speiseröhrenventil, und somit Reflux, zu haben sind:
- Vermeidung von Auslösern
- Ernährung
- Medikamente
- Operationen
Schauen wir uns die einzelnen Optionen genauer an:
1) Auslöser identifizieren und vermeiden
Es gibt viele verschiedene Faktoren, welche Reflux begünstigen. Man kann einzelne dieser Faktoren haben, ohne Probleme zu bekommen.
Je mehr Risikofaktoren zusammenkommen, umso wahrscheinlicher und heftiger wird jedoch der Reflux. Umgekehrt heißt das aber auch: Je mehr Risikofaktoren du bei dir beseitigst, desto geringer werden deine Beschwerden.
Die Risikofaktoren lassen sich in vier Untergruppen unterteilen:
- Physische (körperliche) Risikofaktoren – beispielsweise Zwerchfellbruch[3], vorgeschädigte Speiseröhrenventile und Übergewicht.
- Ernährungsbedingte Risikofaktoren – beispielsweise zu große Mahlzeiten, zu spätes Essen, sehr fettes Essen, oder Lebensmittel, welche das untere Speiseröhrenventil entspannen (z.B. Kaffee).
- Medikamentenbedingte Risikofaktoren – viele Medikamente können die Funktion des Verdauungssystems und der Speiseröhrenventile beeinflussen.
- Psychische Risikofakoren – Stress, aber auch andere psychische Faktoren können Reflux verstärken, lösen ihn aber in der Regel nicht alleine aus.
Insgesamt sind mir mehrere Dutzend dieser Risikofaktoren bekannt. Die allermeisten Menschen haben ein paar dieser Faktoren in ihrem Leben, ohne jemals an Reflux zu erkranken.
Je mehr Faktoren sich jedoch anhäufen, desto größer wird die Chance, dass man Refluxsymptome bekommt. Umgekehrt gilt: man muss nicht sämtliche Faktoren beseitigen, um Reflux erfolgreich zu behandeln. Oft reicht es, einige Faktoren zu beseitigen, oder zu verringern, um symptomfrei zu werden.
2) Ernährungsumstellung – sinnvolle Maßnahme
Grundsätzlich hat die Ernährung viele Schnittstellen mit den Refluxauslösern.
Jedoch macht es Sinn, Ernährung als separate Behandlungsstrategie, anstatt nur als Auslöser zu sehen.
Der Grund ist, dass eine angepasste Ernährung hilft, Reflux zu verringern, selbst wenn die ursprünglichen Auslöser nichts mit der Ernährung zu tun haben.
Sagen wir beispielsweise ein fiktiver Patient, nennen wir ihn Andreas, hat Reflux und Sodbrennen. Er ernährt sich gut und nicht in einer Weise, von der man erwarten würde, dass sie Sodbrennen auslöst. Jedoch hat er einen kleinen Zwerchfellbruch in Kombination mit einem geschwächten Speiseröhrenventil, worin die Ursache seines Refluxes liegt.
Eine ursachenfokussierte Refluxbehandlung wäre eine Operation, eine sogenannte Fundoplicatio, welche den Zwerchfellbruch behebt und das Speiseröhrenventil stärkt. Eine OP geht jedoch mit vielen Gefahren einher und kann leicht nach hinten losgehen, da sich bei manchen Patienten die Symptome nach einer Refluxoperation verstärken, anstatt zu verbessern.
Alternativ ist es jedoch möglich, über die Ernährung zu arbeiten. Es gibt Ernährungsumstellungen, die dabei helfen, dass der Druck im Magen verringert wird. Einige Lebensmittel werden im Magen beispielsweise zu Gasen verarbeitet, was den Druck stark auf ein Level erhöht, das zu hoch für bereits geschwächte Speiseröhrenventile ist. Ein Verzicht auf diese Lebensmittel kann die Symptome stark verbessern.
Gleichzeitig sollten Lebensmittel vermieden werden, welche das Speiseröhrenventil weiter schwächen. Einige beliebte Lebensmittel und Getränke, wie Kaffee, oder Kakao[4], haben einen pharmakologischen Effekt auf die Muskulatur, der zu einer (vorrübergehenden) Schwächung des unteren Ösophagussphinkter führt.[5]
Übrigens ist es beim Kaffee nicht primär das Koffein, welches den Reflux verursacht. Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Der Hauptauslöser sind andere in den Kaffeebohnen enthaltene Stoffe. Daher löst selbst koffeinfreier Kaffee Reflux aus, wenn auch weniger stark, da das Entkoffeinieren nicht nur Koffein, sondern auch andere Substanzen mit ausschwemmt. Daher schmeckt entkoffeinierter Kaffee auch weniger aromatisch, als Normaler. [6], [7], [8]
Während einige Lebensmittel universal schlecht sind bei Reflux, gibt es jedoch viel Varianz zwischen Patienten und was gut funktioniert. Nicht jeder Patient ist gleich.
Viele Patienten sprechen gut auf eine Fettreduktion an, da Fett die Magenentleerung verlangsamt. Der Grund ist, dass der Darm nur eine begrenzte Menge Fett auf einmal verarbeiten kann. Daher verlangsamt sich die Entleerung des Magens bei fettreichen Speisen, um den Darm nicht zu überfordern. Dadurch liegt das Essen jedoch länger im Magen und kann in dieser Zeit Reflux verursachen.[9]
Im Widerspruch zu diesem Prinzip profitiert dagegen ein kleiner Teil der Refluxbetroffenen gerade von einer fettreichen, aber kohlenhydratarmen Diät, möglicherweise, wenn sie Kohlenhydrate schlecht verdauen.
Du siehst, es gibt keine Ernährung, die für jeden gleichermaßen funktioniert. Jedoch gibt es Ansätze, die öfter erfolgreich sind, als andere.
3) Medikamente – nur kurzfristig geeignet
Wer sich beim Arzt über Sodbrennen beschwert, der bekommt meist Protonenpumpenhemmer (PPI) verschrieben.
PPI sind eine Gruppe von Medikamenten, welche die Säureproduktion im Magen stark reduzieren. Umgangssprachlich werden PPI daher Säureblocker genannt. Beispiele für PPI sind Omeprazol, Pantoprazol und Esomeprazol.
Es gibt zwar noch andere Medikamente gegen Reflux, die jedoch kaum eingesetzt werden, da sie entweder zu schwach sind, oder zu starke Nebenwirkungen haben.
Refluxsymptome in der Speiseröhre, wie Sodbrennen, können durch Protonenpumpenhemmer stark reduziert werden.
Wie bei jedem Medikament kommt der Nutzen des Medikaments aber auch mit Potenzial für Nebenwirkungen. Unser Körper bildet Magensäure nicht ohne Grund, sie hat einen Nutzen.
Werden Protonenpumpenhemmer nur kurzfristig, für wenige Wochen, oder maximal Monate eingesetzt, so halten sich die Nebenwirkungen in Grenzen. Man kann diese Zeit nutzen, um Auslöser zu beseitigen und der Speiseröhre Gelegenheit zur Regeneration zu geben.
Jedoch werden PPI leider oft als Dauertherapie eingesetzt, anstatt die Ursachen des Refluxes zu behandeln.
Protonenpumpenhemmer stellen durch die enorme Reduktion der Magensäureproduktion einen Eingriff in die natürliche Verdauungsfunktion dar. Magensäure spielt eine Rolle in der Absorption von Nährstoffen, weswegen es durch die PPI-Behandlung mit der Zeit zu Vitamin- und Mineralstoffmängeln kommen kann. Des Weiteren dient Magensäure der Abtötung von Keimen. Säureblocker erhöhen daher die Gefahr für akute und chronische Infektionen des Darmtrakts.
Zudem ist es schwierig, eine langfristige Einnahme von PPI wieder zu beenden, da sich eine Abhängigkeit einstellt. Stoppt man die PPI-Einnahme, kommt es für einige Zeit zu einer Überproduktion an Säure, mehr als vor Beginn der medikamentösen Therapie. Der medizinische Begriff dafür ist „Rebound“, was sich mit „Rückprall“ übersetzen lässt. Dieser Rebound-Effekt verstärkt die Refluxsymptome. Er kann wochen-, oder sogar monatelang anhalten, abhängig davon, wie lange die PPI-Therapie gedauert hat.[10]
Wichtig ist daher, während der PPI-Therapie die eigentlichen Refluxauslöser anzugehen. Wer keinen Reflux mehr hat, der braucht sich auch vor einer Überproduktion an Säure nach dem Absetzen der PPI keine Sorge zu machen, da die Säure dort bleibt, wo sie hingehört: im Magen.
Ein weiteres Problem mit PPI ist, dass die Refluxerkrankung trotz der Medikamente weiter voranschreitet, selbst wenn die Schmerzen durch die Säurereduktion vorerst verschwinden.[11]
Die Schädigung der Speiseröhre nimmt also weiterhin zu. Beispielsweise kann ein Funktionsverlust der Speiseröhrenmuskulatur entstehen, die sogenannte Speiseröhrenmotilität, was neue Symptome verursachen kann, wie Krämpfe in der Brust und Schluckprobleme.[12]
Übrigens: Protonenpumpenhemmer helfen nur bei klassischen Refluxsymptomen in der Speiseröhre, wie Sodbrennen. Bei Refluxsymptomen in den Atemwegen, wie Heiserkeit, Asthma und Husten, helfen PPI nicht, wie durch Studien erwiesen wurde.[13] Solche Atemwegssymptome sind auch unter dem Namen Stiller Reflux bekannt.
4) Operationen – letzter Ausweg
Bis vor circa einem Jahrzehnt war die einzig sinnvolle Alternative zur operativen Behandlung von Reflux die Fundoplicatio.
Bei der Fundoplicatio wird der obere Teil des Magens um das untere Speiseröhrenventil gewickelt, um es zu verstärken und Reflux zu reduzieren. Es gibt verschiedene Arten der Fundoplicatio, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben.
In den letzten Jahren sind jedoch weitere OP-Verfahren auf den Markt gekommen, entwickelt von verschiedenen Medizintechnikunternehmen.
Die bekannteren neuen Verfahren sind unter anderem:
- LINX Implantat – ein Magnetring, welcher um das untere Speiseröhrenventil herum dauerhaft implantiert wird.[14]
- Endostim – ein weiteres Implantat, welches durch Elektrostimulation die Kontraktionen des Speiseröhrenventils stärken soll (ähnlich eines Herzschrittmachers).[15]. [16]
- Stretta-Prozedur – eine einmalige Stimulation des unteren Speiseröhrenmuskels mit Elektrizität, um das Wachstum anzuregen.[17]
Manche dieser Verfahren sind sinnvoll, andere werden vermutlich aufgrund zu hoher Nebenwirkungen wieder vom Markt verschwinden. Für den Laien sind die Vor- und Nachteile oft schwierig zu erfassen, da die verschiedenen Unternehmen teils sehr aggressiv Marketing betreiben, um (Miss-)informationen zu ihrem Verfahren und denen der Konkurrenz im Netz zu verbreiten.
Deutschland ist jedoch sehr konservativ, was Operationen bei Reflux angeht. Teils aus berechtigter Reservierung gegenüber neuen Verfahren, deren Nutzen nicht bewiesen ist. Teils aber auch schlicht, weil die Bürokratie im Gesundheitssektor hierzulande es sehr langwierig machen kann, neue Verfahren anzubieten, oder von der Krankenkasse erstattet zu bekommen.
Die überwältigende Mehrheit der OPs sind daher nach wie vor klassische Fundoplicatios. Für manche neuen Verfahren, beispielsweise die Stretta-Prozedur, gibt es in Deutschland noch keine Ärzte, die sie durchführen – zumindest zu dem Zeitpunkt, an dem ich diesen Artikel verfasse. Für manche Prozeduren müsste man also ins Ausland gehen, um sie durchführen zu lassen.
Natürliche Maßnahmen sind effektiv und verträglich
Generell haben Operationen und Medikamente ihren Platz in der Behandlung von Reflux.
Medikamente können bei der kurzfristigen Erleichterung der Symptome helfen, bis Ernährung und Auslöservermeidung anschlagen. Operationen können Extremfällen helfen, deren Verdauungssystem bereits zu weit geschädigt ist, um alleine mit Reflux fertig zu werden.
Jedoch sind die wenigstens Betroffenen solche Extremfälle.
Für circa 98% der Patienten sind Umstellungen in der Ernährung und Vermeidung von Auslösern absolut ausreichend. Diese Zahl habe ich aus verschiedenen Interviews mit Refluxexperten. Natürlich hat nicht jeder die gleiche Zahl genannt. Generell ist die übereinstimmende Meinung jedoch, dass Medikamente und OPs zu oft eingesetzt werden und die überwältigende Mehrheit mit natürlichen Optionen am besten bedient wäre. Nicht nur ist eine Behandlung über natürliche Methoden effektiv, sondern auch nebenwirkungsfrei.
Nun erwarten jedoch viele Patienten, dass der Arzt ihnen das sagt und ihnen hilft, die Ernährung umzustellen.
Jedoch darf man nicht vergessen: Ärzte sind keine Ernährungsberater.
Das Medizinstudium enthält minimale Inhalte zum Thema Ernährung. Die Schulmedizin baut vor allem auf Therapie mit Medikamenten und Operationen auf. Daher werden Patienten unzureichend über Möglichkeiten der Ernährungstherapie beraten.
Selbst wenn Ärzte sich selbst fortbilden – im Praxisalltag kommen auf jeden Arzt so viele Patienten, dass keine Zeit für eine ausführliche Beratung bleibt. Die Analyse der individuellen Ernährung und eine umfangreiche Beratung kosten sehr viel Zeit. Stattdessen zücken Ärzte lieber den Rezeptblock und verschreiben ein Medikament gegen Sodbrennen – das geht schneller.
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Autor: Gerrit Sonnabend
Lektorat: Sarah Neidler