Anmerkung: beim folgenden Text handelt es sich um eine Übersetzung eines englischen Interviews mit Dr. Mark Noar, einem innovativ arbeitenden amerikanischen Gastroenterologen. Das Original findest du hier in der englischen Version von Refluxgate.
Der Pylorus sitzt am unteren Magenende. Er steuert die Geschwindigkeit, mit der die Nahrung in den Darm gelangt. Ein anderer geläufiger Begriff für den Pylorus ist “Magenpförtner“.
Es kommt überraschend oft vor, dass der Pylorus zu eng, oder verkrampft ist. Einige allgemeine medizinische Fachbegriffe dafür sind pylorische Obstruktion, pylorische Stenose und Magenauslassobstruktion.
Wenn der Pylorus verstopft ist, kann dies zu Symptomen wie verzögerter Magenentleerung und Säure-Reflux (GERD) oder Stillem Reflux führen. Um mehr über Diagnose und Behandlung zu erfahren, habe ich den Gastroenterologen Dr. Mark Noar befragt.
Interview mit Dr. Noar:
Was ist der Pylorus?
Dr. Mark Noar: Der Pylorus ist ein kreisförmiger Muskel. Funktioniert er normal, erlaubt er nur Lebensmitteln einer spezifischen Größe, den Magen mit einer bestimmten Geschwindigkeit zu verlassen.
Warum brauchen wir den Pylorus?
Der Pylorus ist eine Art Torwächter.
Er fördert die Vermengung und Vorverdauung der Nahrung. Er kontrolliert auch die Menge an Nahrung, die in den Zwölffingerdarm, das erste Segment des Darms, gelangt.
Stellen Sie ihn sich wie das Tor eines Damms vor. Wenn man das Tor ganz öffnet, fließt das Wasser schnell durch. Wenn man das Tor nur ein wenig öffnet, kommt eventuell nur ein Bächlein heraus. Schließt man es ganz, durchdringt den Damm nichts mehr.
Der Pylorus hat die gleiche Funktion wie ein Dammtor. Er steuert, wie viel Nahrung aus dem Magen in den Darm gelangt und ist somit für eine gute Verdauung wichtig.
Woher weiß der Pylorus, wann er sich öffnen und wann er geschlossen bleiben soll?
Der Körper reguliert dies.
Sobald die Nahrung eine gute Konsistenz und optimale Partikelgröße erreicht hat, öffnet sich der Pylorus ein bisschen. Wenn sich das Antrum [= der Magenboden] zusammenzieht, darf Nahrung in den Darm gelangen.
Es gibt verschiedene hormonelle Rückkopplungen, um die Magenmotilität zu verlangsamen. Zum Beispiel, wenn die Kost zu fettreich ist, wird weniger Nahrung aus dem Magen in den Darm gelangen können. Ansonsten könnte die Bauchspeicheldrüse nicht die ausreichende Menge an Enzymen sekretieren, die für die Fettverdauung notwendig ist.
Was passiert, wenn der Pylorus nicht richtig funktioniert?
Nehmen wir an, der Pylorus beschließt, die ganze Zeit geöffnet zu bleiben. Das bedeutet, dass unverdaute Nahrung zu schnell in den Darm gelangt. Das übersteigt die Fähigkeit des Körpers, Nahrung zu verdauen und zu absorbieren. Die Folge sind Symptome wie Durchfall oder Dumping-Syndrom [zu schnelle Entleerung des Magen; Anm. d. Red].
Möglicherweise passiert auch das Gegenteil.
Wenn sich der Pylorus nicht weit genug öffnet, obwohl er es sollte, dann kann sich der Magen nicht richtig entleeren. Dies führt zu einer Verlangsamung der Entleerung des Magens.
Verursacht ein gestörter Pylorus Reflux?
Wenn der Pylorus keine normale Entleerung ermöglicht, steigt der Druck im Magen abnormal an. Dieser Druck ist dann zu hoch, als dass der untere Ösophagussphinkter ihn eindämmen könnte. Das Resultat ist Reflux.
Wir haben in einem anderen Interview darüber gesprochen, dass es sich bei einem Refluxereignis um eine sogenannte vorübergehende Entspannung des Sphinkters der Speiseröhre handelt. Diese vorübergehenden Entspannungen sind nicht vorgesehen.
Normalerweise entspannt sich der Ösophagussphinkter beim Schlucken, um Nahrung in den Magen zu lassen. Das ist eine geplante oder physiologische Reaktion.
Eine vorübergehende Entspannung tritt auf, wenn der Sphinkter sich nicht entspannen sollte. Es geschieht nur aufgrund eines zu hohen Magendrucks. Wenn der Magendruck 4 mm Druck [mmHg, gleiche Einheit wie bei der Blutdruckmessung; Anm. der Red.] übersteigt, ist er höher als der Druck, mit dem der Ösophagussphinkter umgehen kann. Das führt zu vorübergehender Entspannung und zu einem Refluxereignis.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Wenn der Pylorus zu eng ist, kann der Druck im Magen so hoch werden, dass er den unteren Ösophagussphinkter öffnet, was zu Reflux führt.
Ja.
Und lassen Sie mich “zu eng” genauer definieren. Ein Sphinkter kann entweder aus mechanischen, oder strukturellen Gründen zu eng sein.
Sagen wir mal als Beispiel, Sie haben einen Tumor oder ein Geschwür und daraus resultieren Schwellungen. Das ist ein mechanischer Grund, warum sich der Sphinkter nicht öffnen kann.
Aber öfter ist der Pylorus aus funktionellen Gründen zu eng. Es ist eine funktionelle Störung.
Was ist eine funktionelle Obstruktion des Pylorus?
Dabei zieht sich das Antrum zusammen, um Nahrung in den Darm zu transportieren, und der Sphinkter soll sich entspannen. Stattdessen zieht er sich aber zusammen.
Wie diagnostiziert man Probleme mit dem Pylorus?
Als erstes kommt eine Endoskopie in Betracht, um den Sphinkter direkt zu untersuchen. Wenn der Sphinkter normal aussieht und Sie Ihr Endoskop durchschieben können, dann wissen Sie zumindest, dass es kein strukturelles Problem ist.
Liegt kein strukturelles Problem vor, ist die Elektrogastrographie die einzige Möglichkeit, um festzustellen, ob es ein funktionelles Problem gibt.
Wie bringt man einen gestörten Pylorus in Ordnung? Mit anderen Worten, wie behandelt man eine Magenauslassobstruktion?
Nehmen wir an, die Endoskopie ist durchgeführt worden. Es gibt kein Narbengewebe und keinen Tumor. Der Sphinkter sieht also für das bloße Auge ganz normal aus. Das Elektrogastrogramm zeigt jedoch, dass der Pylorus abnormal funktioniert. Er funktioniert auf paradoxe Weise.
Es gibt unterschiedliche Behandlungsoptionen für diese Dysfunktion. Es hängt davon ab, ob eine dauerhafte oder eine temporäre Lösung gewünscht ist.
Für eine temporäre Lösung könnte man Botulinumtoxin – Botox – in den Sphinkter injizieren und ihn lähmen. Damit ist er nicht mehr in der Lage, sich zusammenzuziehen, was das Problem beseitigt. Das löst das Problem jedoch nur für etwa drei Monate. Diese Prozedur muss also regelmäßig wiederholt werden, um das Problem zu beheben.
Ich bevorzuge daher eine Dilatation mittels Ballon durch ein Endoskop [der Ballon wird in den Pylorus geschoben und aufgepumpt, was den Sphinkter aufdehnt; Anm. d. Red]. Es dauert fünf Minuten und beseitigt das Problem bei 93% der Patienten dauerhaft. Die Zahl basiert auf einer Veröffentlichung, die bald rauskommt. Diese Methode behebt das Problem des Pylorus dauerhaft, indem sie ihn erweitert oder dehnt. Er wird nie wieder vollständig kontrahieren.
Sie sagen, dass es in 93% der Fälle funktioniert. Was ist mit dem Rest? Was können Sie bei Patienten mit Pylorusstenose tun, bei denen die Dilatationsmethode versagt?
Wenn die Dilatation nicht als dauerhafte Lösung funktioniert, sollte als nächstes ein chirurgischer Eingriff laparoskopisch durchgeführt werden. Das ist eine minimal-invasive Operation, bei der der Chirurg den Pyrolus einschneidet, damit er offen bleibt.
Ist eine laparoskopische Operation nicht erwünscht, können wir eine endoskopische Form der Operation durchführen, die als G-POEM bekannt ist.
Ist es möglich, die Dilatation mit dem Ballon einfach mehrfach durchzuführen?
Ja.
Wie gesagt, mit einer Dilatation heilt man 93% der Patienten. Das macht etwa 7-8%, die wegen erneuten Problemen zurückkommen. Eine weitere Dilatation wird weitere 50% von ihnen helfen.
Sind mehrere Dilatationen erforderlich, kann man zu den dauerhafteren Verfahren übergehen, über die wir gerade gesprochen haben.
Könnten Sie anstelle dessen einfach alle paar Monate Botox anwenden?
Ich mag Botox-Anwendungen nicht so gerne, weil das alle drei oder vier Monate Geld kostet.
Stattdessen ziehe ich es vor, eine Ballondilatation durchzuführen. Wenn das nicht dauerhaft funktioniert, halte ich das G-POEM für die nächstbeste Lösung, weil man dafür nicht durch die Bauchdecke schneiden muss. Gelingt das nicht, käme eine laparoskopische Operation als dauerhafte Lösung zum Zug.
Welche Nebenwirkungen können bei all diesen Verfahren auftreten?
Bei der Ballondilatation haben wir keine Nebenwirkungen feststellen können. Wir haben keine Komplikationen gesehen. Niemand wird ein Dumping-Syndrom entwickeln, da die Funktion des Sphinkters erhalten bleibt.
Der Vorteil der Ballondilatation ist, dass sie sowohl Funktion als auch Anatomie bewahrt. Sie dehnt die Anatomie nur ein wenig aus, so dass sie nicht wieder zu eng werden kann. Es gibt keine Blutungen oder Perforationen.
Ganz anders ist das bei anatomischen Veränderungen mittels G-POEM, operativer laparoskopischer Pyloroplastik oder Pyloromyotomie. Bei einem Prozentsatz dieser Patienten kann es zu Dumping-Syndrom kommen, da der Pylorus die ganze Zeit geöffnet bleibt.
Dies ist das Ende des dritten Teils des Interviews.
In den ersten beiden Teilen haben wir über andere wichtige Refluxfaktoren gesprochen.
Wir sprechen über die Magenmotilität, die für die Gesundheit des Verdauungssystems unerlässlich ist. Wir besprechen auch die Gastroparese, die eine verzögerte Entleerung des Magens ist. Schließlich fassen wir zusammen, wie alle diese Konzepte ein vollständiges Bild vermitteln, wenn es um die Diagnose und Behandlung von Sodbrennen geht.