Warum gibt es keine auf Stillen Reflux spezialisierte Medikamente?

Letzte Aktualisierung:
8. April 2023

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Stiller Reflux ist eine komplexe und schwierig zu behandelnde Erkrankung. Aufgrund der unspezifischen Symptome ist die Diagnose ein langwieriger Prozess. Nachdem man Stillen Reflux als Ursache der Symptome identifiziert hat, geht die Suche nach einer wirksamen Behandlung erst los. Betroffene stellen schnell fest, dass es keine Medikamente speziell gegen Stillen Reflux gibt und dass Ärzte oft nicht wissen, wie man die Krankheit behandelt.

Warum ist das so?

Stiller Reflux ist erst seit Kurzem im Blick der Forschung

Mittlerweile suggerieren Studien, dass Stiller Reflux eine häufige Erkrankung ist.

Faszinierenderweise war bis vor wenigen Jahren aber nur den wenigsten Forschern und Ärzten bekannt, dass die Krankheit überhaupt existiert. Bis in die 2000er Jahre hinein gab es keine spezialisierten Tests, welche Stillen Reflux messen können. Was man nicht messen kann, dass kann man schwer erforschen.

Kurz gesagt: es werden nur Medikamente gegen Krankheiten entwickelt, von denen man weiß, dass es sie gibt. Zudem muss man die Resultate der Medikamente messen können, wofür man zunächst geeignete Diagnoseinstrumente braucht. Die Diagnose wird langsam besser, aber die Entwicklung von Medikamenten dauert seine Zeit.

Säure wird als alleiniger Übeltäter angesehen

Wie bei klassischem Reflux, bei dem der saure Magensaft die Speiseröhre reizt, ist auch gasförmiger Reflux sauer. Säure ist jedoch nicht das primäre Problem bei Stillem Reflux. Es sind die Pepsine, die mit dem Reflux in die Atemwege gelangen, die den eigentlichen Schaden anrichten.[1]

Trotzdem verschreiben viele Ärzte bei Stillem Reflux meist Protonenpumpenhemmer (engl. proton pump inhibitors, PPIs) und gehen davon aus, dass damit das Problem behoben ist.[2]

Dabei haben mehrere Studien gezeigt, dass Protonenpumpenhemmer nicht besser als Placebo wirken. Das ist ein vernichtendes Urteil für die Wirkamkeit von PPI bei Stillem Reflux.

Es fehlt nach wie vor das Bewusstsein, dass die existierenden Anti-Säure-Medikamente nicht ausreichend sind, sondern Wirkstoffe speziell für die Behandlung von Stillem Reflux benötigt werden.

Pepsine sind ein schwieriges Behandlungsobjekt

Die eigentlichen Schäden werden bei Stillem Reflux durch Pepsine verursacht. Das sind Enzyme, die im Magen am Verdauungsprozess beteiligt sind. Bei Stillem Reflux gelangen sie in den Hals und Rachenraum und greifen dort die Zellen der Schleimhäute an.

Ein wirksames Medikament müsste also bei den Pepsinen ansetzen. Eine Hemmung der Produktion der Pepsine ist jedoch keine gute Idee, da sie im Magen für die Verdauung essenziell sind. Ohne sie wären Eiweiße nicht verdaubar. Entsprechende Medikamente hätten wahrscheinlich viele Nebenwirkungen und würden zu signifikanten Verdauungsproblemen führen. Säure dagegen ist einfacher zu hemmen, da sie „nur“ die Verdauung vereinfacht und Nahrung sterilisiert. 

Eine Möglichkeit wäre, Pepsin gezielt in den Atemwegen attackieren, beispielsweise, indem man ihre Aufnahmen in Zellen der Atemwege verhindert. Ob ein Wirkstoff gefunden wird, der das ermöglicht, steht in den Sternen.

Stiller Reflux lässt sich auch ohne Medikamente behandeln

Auch wenn es keine spezialisierten Medikamente gibt, existieren trotzdem wirksame Möglichkeiten zur Stiller Reflux Behandlung.

Eine Anpassung der Ernährungsgewohnheiten ist sehr effektiv, da sie an zwei Punkten ansetzt: zum einen lässt sich damit der Reflux selbst mindern, so dass weniger Pepsine in die Atemwege gelangen. Außerdem kann durch die Vermeidung von sauren Lebensmitteln die Aktivierung der verbleibenden Pepsine minimiert werden.[3] In den meisten Fällen lässt sich der Reflux so sehr gut kontrollieren und weitere Schäden werden verhindert.

Für meinen Onlinekurs zur Behandlung von Stillem Reflux habe ich recherchiert und Experten interviewt, welche Ernährungsanpassungen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen am erfolgreichsten sind. Mit diesem Ernährungsprotokoll konnte ich bereits mehreren tausenden Betroffenen helfen, ihre Refluxsymptome loszuwerden.

Quellen

[1] Johnston N, Dettmar PW, Bishwokarma B, Lively MO, Koufman JA. Activity/stability of human pepsin: implications for reflux attributed laryngeal disease. Laryngoscope. 2007;117(6):1036-9.

[2] Reimer C, Bytzer P. Management of laryngopharyngeal reflux with proton pump inhibitors. Ther Clin Risk Manag. 2008;4(1):225-33.

[3] Koufman JA. Low-acid diet for recalcitrant laryngopharyngeal reflux: therapeutic benefits and their implications. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2011;120(5):281-7.

Über den Autor

Gerrit Sonnabend

Gerrits Sonnabends beruflicher Hintergrund ist in der qualitativen Forschung und Data-Science. Er hatte selbst starken Reflux. Hier kannst du mehr zu Gerrit erfahren.