Was ist Stiller Reflux?

Letzte Aktualisierung:
14. Dezember 2023

stiller reflux

Reflux bezeichnet das Aufsteigen von Magensäure. Bei den meisten Betroffenen gelangt sie in die Speiseröhre, wo sie typischerweise Sodbrennen verursacht.

Der Reflux kann jedoch noch weiter, bis in Hals und Atemwege aufsteigen. Hier spricht man von Stillem Reflux, da diese Art von Reflux unspezifische Symptome hervorruft, die normalerweise nicht mit Reflux in Verbindung gebracht werden. Aus diesem Grund bleibt Stiller Reflux häufig lange unerkannt und die Diagnose kann viel Zeit in Anspruch nehmen.

Symptome: daran erkennt man Stillen Reflux

Stiller Reflux greift die Schleimhäute an. Da die Atemwege, anstatt der Speiseröhre, betroffen sind, kommt es nicht zum klassischen Sodbrennen, sondern eher zu unspezifischen Symptomen, die auf Entzündungen, vor allem im Hals und Rachenraum, zurückzuführen sind.

Zu den typischsten Symptomen gehören:

  • Heiserkeit und Probleme beim Sprechen
  • Halsschmerzen
  • Kloßgefühl im Hals
  • Schluckbeschwerden
  • Übermäßige Schleimbildung in Hals und Atemwegen
  • Chronischer Husten
  • Andauernder Räusperzwang
  • Asthma und Atemprobleme
  • Häufiges Aufstoßen
  • Generell gereizte Schleimhäute
  • Übelkeit
  • Zahnschmelzerosion & Karies
  • Ohrenentzündung
  • Häufige Infekte
  • Verstärkung anderer Atemwegserkrankungen

Im Artikel über Stille Reflux Symptome werden die einzelnen Symptome ausführlich beschrieben.

Wie entsteht Stiller Reflux?

Reflux bezeichnet das Aufsteigen von saurem Mageninhalt. Bei Stillem Reflux handelt es sich um gasförmigen Reflux, der nicht nur in die Speiseröhre gelangt, sondern bis in den Hals und in die Atemwege aufsteigt.

Die Schleimhäute reagieren empfindlich auf Säure, aber es ist nicht die Säure allein, die die Atemwege reizt. Mit dem gasförmigen Reflux gelangen auch Pepsine nach oben. Pepsine sind Enzyme, die Proteine abbauen. Dies ist ein für die Verdauung notwendiger Prozess, der normalerweise im Magen stattfindet.

Außerhalb des Magens sind Pepsine normalerweise nicht aktiv, da ihre Aktivität pH-abhängig, also säureabhängig, sind. Da Pepsine normalerweise im Magen ihre Funktion ausüben, sind sie bei saurem (oder niedrigem) pH-Wert aktiver. Der pH-Wert, den in den Atemwegen herrscht, ist normalerweise zu hoch, um Pepsine zu aktivieren.

Der saure Reflux schafft allerdings die Bedingungen, die dafür sorgen, dass die Pepsine auch außerhalb des Magens ihrer Tätigkeit nachgehen können: er senkt den pH-Wert – die Atemwege haben ein saureres Milieu. Auch saure Lebensmittel treiben diesen Effekt an.

Durch den sauren pH-Wert gehen Pepsine auch außerhalb des Magens ihrer Tätigkeit nach. Sie verdauen Proteine der Schleimhautzellen, wodurch die Schleimhäute gereizt werden und sich mit der Zeit entzünden.[1]

Tatsächlich erfolgt die Reizung der Schleimhäute in zwei Phasen:

  1. In der Initiierungsphase gelangen die Pepsine mit dem Reflux in den Hals und in die Atemwege. Dort können sie sich in den Schleimhäuten einnisten.
  2. Zu einem späteren Zeitpunkt können die Pepsine dann durch Säure aus der Nahrung oder durch weiteren Reflux reaktiviert werden.

Der Artikel über den Mechanismus von Stillem Reflux erklärt im Detail, wie durch die Initiierung und Reaktivierung Refluxschäden entstehen.

Ursachen von Stillem Reflux

Reflux wird normalerweise durch Sphinkter am unteren und oberen Ende der Speiseröhre verhindert. Sphinkter kann man sich wie Ventile vorstellen, die im richtigen Moment öffnen und schließen müssen, um Dinge durchzulassen oder zu blockieren.

Das Ventil am unteren Ende der Speiseröhre, der sogenannte untere Ösophagussphinkter (UÖS), sitzt zwischen Magen und Speiseröhre. Seine Aufgabe ist es, das Aufsteigen von Magensäure in die Speiseröhre zu verhindern.

Das Ventil, das sich am oberen Ende der Speiseröhre befindet, ist der sogenannte obere Ösophagussphinkter (OÖS). Er sorgt dafür, dass Reflux aus der Speiseröhre nicht nach oben in den Hals- und Rachenraum gelangt.

Die beiden Ventile stellen einen doppelten Schutz gegen Reflux dar. Wenn eines oder beide Ventile nicht richtig funktionieren, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit für Reflux.

Es gibt einige Faktoren, die den unteren Sphinkter belasten und auf Dauer dafür sorgen, dass er nicht mehr unter ausreichend Spannung steht:

  • Erhöhter Magendruck, beispielsweise durch zu große Mahlzeiten, Magenmotilität- und Entleerungsstörung (Gastroparese), Pylorusobstruktion, oder Heben schwerer Gewichte
  • Ein Zwerchfellbruch begünstigt Reflux durch Schwächung der Sphinkterspannung. Ein leichter Zwerchfellbruch bleibt in der Regel von Patienten unbemerkt.
  • Refluxfördernde Lebensmittel, welche den Sphinkter entspannen, wie beispielsweise Schokolade und Kaffee
  • Verschiedene Medikamente

Probleme in der Speiseröhrenperistaltik

Die Speiseröhre kann sich wellenförmig zusammenziehen, wodurch Nahrung in den Magen befördert wird. Diese Bewegungen bezeichnet man als Peristaltik. Auf die gleiche Art und Weise kann durch die Peristaltik der Speiseröhre auch Reflux zurück in den Magen befördert werden.

Wenn die Beweglichkeit gestört ist, kann der Reflux potenziell weiter nach oben aufsteigen, bis in den Hals und in die Atemwege. Reflux selbst kann die Speiseröhre schädigen und somit die Peristaltik beeinflussen. Dieser Teufelskreis erklärt, warum Reflux mit der Zeit immer schlimmer wird.

Diagnose von Stillem Reflux

Die Diagnose von Stillem Reflux ist eine Herausforderung. Ein Problem ist, dass sich der Reflux nicht direkt messen lässt. Man verlässt sich daher auf indirekte Indikatoren, wie zum Beispiel den pH-Wert im Hals.

Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Tests nur eine Momentaufnahme darstellen, Reflux jedoch ein dynamischer Prozess ist.

Es gibt daher nicht den einen Test, mit dem sich Stiller Reflux diagnostizieren oder ausschließen lässt.

Ein Test, der bei der Diagnose zum Einsatz kommt, ist die Manometrie. Sie misst die Speiseröhrenperistaltik und außerdem den Druck, mit dem sich die Sphinkter am oberen und unteren Ende der Speiseröhre zusammendrücken.[2] Auf ähnliche Art und Weise misst die Elektrogastrographie die Motilität (Beweglichkeit) des Magens.[3]

Zusätzlich gibt es Tests, welche die Veränderungen des pH im Hals messen: die sogenannte pH-Metrie. Wichtig ist, dass die Messung im Hals durchgeführt wird, nicht in der Speiseröhre. Nur so kann der Stille Reflux gemessen werden. Die meisten Ärzte kennen sich aber nur mit der klassischen Messung in der Speiseröhre aus, welche bei Speiseröhrenreflux geeignet ist.

Dann gibt es noch bildgebende Verfahren, wie die Kehlkopfspiegelung und die Magenspiegelung, um Auffälligkeiten im Kehlkopf, bzw. im Magen zu detektieren. Außerdem gibt es den Ösophagusbreischluck, der den Schluckvorgang visualisiert und den Magenentleerungsscan, der sichtbar macht, ob es Probleme bei der Entleerung des Magens gibt.

Die Symptome liefern ebenfalls essenzielle Hinweise zur Diagnose und sollten daher immer miteinbezogen werden. Ein nützlicher Test ist der Stille Reflux Symptomindex (RSI), mit dem sich ermitteln lässt, ob die Symptome zutreffen.

Der Artikel über Stiller Reflux Tests geht genauer auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Tests ein.

Behandlung von Stillem Reflux

In der Schulmedizin gibt es drei akzeptierte Ansätze zur Behandlung von Stillem Reflux: Medikamente, Operationen und eine Anpassung der Ernährung.

Medikamente – beseitigen nicht die Ursache

Eine medikamentöse Behandlung kommt bei Stillem Reflux oft zum Einsatz, da sie für Patienten einfach umsetzbar ist. Jedoch ist die Effizienz bei Stillem Reflux begrenzt, da die gut verträglichen Medikamente bei Stillem Reflux wenig wirken, während besser wirkende Medikamente aufgrund ihrer Nebenwirkung selten verschrieben werden.

Folgende Medikamente kommen dennoch häufig zum Einsatz:

  • Protonenpumpenhemmer (kurz PPI, aus dem englischen proton-pump-inhibitors) oder auch Säureblocker, sind bei klassischem Reflux sehr wirksam. Bei Stillem Reflux sind sie laut einiger Studien nicht wirksamer als Placebo. Trotzdem wird ihre Sinnhaftigkeit bei Stillem Reflux in der medizinischen Gemeinschaft kontrovers diskutiert und sie werden immer noch häufig verschrieben.
  • Prokinetika wirken auf die Muskelkontraktionen des Magens und der Speiseröhre und fördern somit die Fortbewegung der Nahrung im Verdauungstrakt. Bei Stillem Reflux, der durch Magenentleerungsstörungen (Gastroparese) verursacht wird, können diese Medikamente wirksam sein. Prokinetika wirken jedoch auf das Nervensystem und belasten Patienten daher häufig mit Nebenwirkungen. In sehr seltenen Fällen können diese Nebenwirkungen permanent sein, auch nach Absetzen der Medikamente.
  • H2-Rezeptorenblocker hemmen, ähnlich wie PPIs, die Produktion von Säure. Sie sind jedoch weniger effizient als PPIs und werden daher selten eingesetzt.
  • Gaviscon bildet eine Schaumschicht über dem Mageninhalt, wodurch der Mageninhalt am Aufsteigen gehindert wird. Es gibt Gaviscon in zwei Varianten, Advance und Dual. Gaviscon Advance kann die Symptome von Stillem Reflux lindern, aber nicht vollständig beseitigen. Die häufiger in Apotheken zu findende Dual Version ist in erster Linie ein Antazida und ist bei Stillem Reflux wenig erfolgsversprechend.

Operationen

Eine Operation birgt immer Risiken und ist daher nur im Extremfall zu empfehlen. Außerdem ist eine Operation bei Stillem Reflux weniger erfolgsversprechend als bei klassischem Reflux.

Die bei Stillem Reflux am besten etablierteste Operation ist die Nissen Fundoplicatio.[4] Dabei wird der obere Teil des Magens um die Speiseröhre gewickelt, sodass sich eine Schlinge oder Manschette bildet. Dadurch wird der untere Ösophagussphinkter zwischen Magen und Speiseröhre zusammengedrückt und Reflux verhindert.

Essenziell bei einer Operation ist, einen mit Stillem Reflux erfahrenen Operateur zu finden.

Im Artikel über Operationen zur Behandlung von Stillem Reflux werden verschiedene Methoden genau erläutert.

Ernährung

Eine Anpassung der Ernährungsgewohnheiten ist eine andere Möglichkeit, Stillen Reflux zu behandeln. Hier ist der Vorteil, dass der Reflux selbst minimiert werden kann, anstatt nur die Symptome. Mehr Informationen zu dem Thema gibt es in unserem Artikel zur Ernährung bei Stillem Reflux.[5]


Quellen

[3] Johnston N, Dettmar PW, Bishwokarma B, Lively MO, Koufman JA. Activity/stability of human pepsin: implications for reflux attributed laryngeal disease. Laryngoscope. 2007;117(6):1036-9.

[2] Holloway RH. Esophageal manometry. GI Motility online. 2006.

[3] McCallum RW, Soykan I. What is the value of electrogastrography in reflux disease? OESO foundation. Mai 1998. Abgerufen am 14.08.2019.

[4] Carroll TL, Nahikian K, Asban A, Wiener D. Nissen Fundoplication for Laryngopharyngeal Reflux After Patient Selection Using Dual pH, Full Column Impedance Testing: A Pilot Study. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2016;125(9):722-8.

[5] Koufman JA. Low-acid diet for recalcitrant laryngopharynge

Über den Autor

Gerrit Sonnabend

Gerrits Sonnabends beruflicher Hintergrund ist in der qualitativen Forschung und Data-Science. Er hatte selbst starken Reflux. Hier kannst du mehr zu Gerrit erfahren.